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Prüfung einer Anwaltsvollmacht von Amts wegen nur bei begründeten Zweifeln

Gerichte dürfen nur bei begründeten Zweifeln von Amts wegen Zweifel an der Bevollmächtigung der Anwältin oder des Anwalts berücksichtigen. Dem Beschluss (1 BvR 305/21) des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) v. 18.2.2022 lag eine Entscheidung des Oberverwaltungsgericht-Sachsen-Anhalt (OVG) zugrunde. Der Prozessvertreter hatte am 12.11.2020 die Zulassung der Berufung beantragt.

Am 20.11.2020 forderte ihn das OVG auf, die Prozessvollmacht im Original bis zum 27.11.2020 vorzulegen. Diese Frist konnte er jedoch nicht einhalten, weil sich der Postlauf vom Mandanten an ihn verzögert hatte. Tatsächlich erhielt er die Vollmacht erst am 8.12.2020 und leitete sie dann umgehend an das OVG weiter, wo sie am 11.12.2020 einging.

Zudem beantragte er eine Fristverlängerung für die Begründung des Zulassungsantrags mit Blick auf die bevorstehenden Feiertage. Das OVG hatte aber bereits am 3.12.2020 den Antrag auf Zulassung der Berufung als unzulässig verworfen, weil der Prozessvertreter seine ordnungsgemäße Bevollmächtigung nicht nachweisen konnte. Das Gericht durfte das auch von Amts wegen prüfen, weil besondere Umstände Anlass für Zweifel begründeten, ob eine hinreichende Prozessvollmacht für das eingeleitete Verfahren bestand, da bereits im erstinstanzlichen Verfahren keine Vollmacht vorgelegt wurde. Zudem hatte der Anwalt auf die gerichtliche Anforderung nicht umgehend die Vollmacht vorgelegt oder die Umstände erklärt, die dem entgegenstanden. Ferner könnte auch die Beantragung einer nicht unerheblichen Fristverlängerung auf einen fehlenden Kontakt zum Mandanten hindeuten.

Gegen diesen Beschluss des OVG erhob der Mandant Verfassungsbeschwerde und rügte u. a. eine Verletzung seines Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 IV 1 GG und auf ein faires Verfahren. Das BVerfG hielt die Verfassungsbeschwerde für begründet. Es habe für das OVG kein Anlass bestanden, den Antrag auf Zulassung der Berufung zu verwerfen. Gerichte dürften den Anspruch auf gerichtliche Durchsetzung der eigenen Rechte nicht durch übermäßig strenge Handhabung verfahrensrechtlicher Schranken unzumutbar verkürzen. Genau dies sei hier aber geschehen.