Die Richter des Oberlandesgerichts Hamm (OLG) haben eine Klinik verpflichtet, nach dem Tod einer Patientin deren Krankenunterlagen zur Feststellung der Testierfähigkeit an einen Gutachter zu übergeben.
Die Erblasserin hatte in ihrem Testament aus dem Jahr 1998 zunächst ihre Schwester als Alleinerbin eingesetzt. In einem neuen Testament, dessen Beurkundung auf der Intensivstation eines Krankenhauses stattfand, setzte sie ihre Nichte und deren zwei Kinder als Erben ein. Die Schwester war damit nicht einverstanden und hatte Zweifel an der Testierfähigkeit. Das angerufene Gericht hat ein Gutachter bestellt, an den die Klinik die Krankenakte der Erblasserin jedoch nicht herausgeben wollte. Es läge, so die Klinik, eine postmortale Vollmacht zugunsten der Kinder vor und diese hätten die Klink nicht von der Schweigepflicht befreit.
Die OLG-Richter verpflichteten die Klinik, die Krankenakte herauszugeben. Die Verfügungsbefugnis über Geheimnisse aus dem persönlichen Lebensbereich des Patienten, so die Richter in der Entscheidung, erlösche mit dessen Tod, sodass eine Entbindung von der Schweigepflicht grundsätzlich nicht mehr in Betracht käme, insbesondere auch nicht durch die Erben und/oder nächsten Angehörigen. Die Schweigepflicht als höchstpersönliches Recht sei nicht vererblich.
Ferner komme es für die Frage, ob und inwieweit der Arzt von seiner Schweigepflicht nach dem Tod des Patienten freigestellt ist, allein auf den erklärten oder den mutmaßlichen Willen des Erblassers an. Hat der Erblasser sich dazu geäußert, ist seine Erklärung entscheidend. Liegt keine solche Erklärung vor, muss sein mutmaßlicher Wille ermittelt werden. Dabei wird i.d.R. angenommen, dass es im Interesse des Erblassers ist, Zweifel an seiner Testierfähigkeit aufzuklären, wenn er ein Testament hinterlassen hat. Es ist üblicherweise der Wunsch des Erblassers, seinen Willen durch ein Testament zur Geltung zu bringen. Hinsichtlich solcher Tatsachen, welche die Willensbildung des Erblassers und das Zustandekommen der letztwilligen Verfügung betreffen, ist daher grundsätzlich keine Verschwiegenheitspflicht anzunehmen (vgl. OLG Hamm, Beschluss v. 13.6.2024,10 W 3/23).